Schönheit ist zeitlos, hat sie doch Menschen jeden Zeitalters bewegt und fasziniert. Und sie verbindet uns – durch alle Epochen und über jede noch so unüberwindbare Grenze. Was wohl Goethe dazu sagen würde?
Ich stehe auf dem Roßmarkt in Frankfurt am Main, vor mir das Johannes-Gutenberg-Denkmal. Mein Blick schweift nach links zum Goetheplatz, der, ganz lieblich anzusehen, rundherum mit Bäumchen umsäumt ist. Mittendrin sehe ich ihn thronen, hoch oben auf seinem Podest: Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832). Ein wenig steif guckt er drein, aber naja – einer Bronzeskulptur bleibt eben nur wenig Bewegungsfreiheit. Zumindest jetzt, wo Goethe nur noch in Gedanken bei uns ist. Aber mit seinen lyrischen, epischen und dramaturgischen Werken, seinen Forschungen und Schriften hat dieser begnadete, deutsche Dichter wohl schon viele Herzen bewegt.
Nun blickt sein bronzenes Abbild hier wie versteinert über seine geliebte Geburtsstadt, scheint der Zeit in all ihren Widrigkeiten zu trotzen – lies sie sich doch nicht einmal durch verschiedene Attentate oder die beiden Bombenangriffe auf die Frankfurter Innenstadt während des zweiten Weltkriegs aus der Ruhe bringen. Und wenn ich ihn mir so ansehe, dann ist es, als würde uns da etwas verbinden – etwas, was die Zeit überdauert: Schönheit. Er vermochte es, wie nur wenige seiner Kollegen unter den Schriftstellern, unglaublich viel Schönheit in seine Sprache und Ausdrucksweise zu verpacken und auch seine Sicht auf die Dinge der Welt haben mich schon des Öfteren inspiriert und zum Nachdenken gebracht. Doch was kann uns ein Dichter schon über Schönheit sagen?
ZEITLOS, FASZINIEREND, FACETTENREICH
Schönheit, was ist das?
Goethe: Das Schöne ist ein Urphänomen, das zwar nie selber zur Erscheinung kommt, dessen Abglanz aber in tausend verschiedenen Äußerungen des schaffenden Geistes sichtbar wird und so mannigfaltig und so verschiedenartig ist als die Natur selber.
Und …
… Die Schönheit: jede milde, hohe Übereinstimmung alles dessen, was unmittelbar, ohne Überlegen und Nachdenken zu erfordern, gefällt.
KEIN EINWAND GEGEN DEN SCHUSS SCHÖNHEIT
Wozu ist Schönheit schon gut?
Goethe: Zu unsers Lebens oft getrübten Tagen
gab uns ein Gott Ersatz für alle Plagen,
daß unser Blick sich himmelwärts gewöhne,
den Sonnenschein, die Tugend und das Schöne.
Außerdem …
… Schönheit ist überall ein gar willkommener Gast.
UM SEINER SELBST WILLEN
Profit oder non-profit?
Goethe: Es ist das Vorrecht des Schönen, daß es nicht nützlich zu sein braucht.
DER SCHÖNHEIT ENDE IST DES KITSCHES BEGINN
Eine Grenze für Schönheit – gibt es das?
Goethe: Das einfach Schöne soll der Kenner schätzen,
Verziertes aber spricht der Menge zu.
SCHÖPFERISCH, LEBENSPENDEND, MEISTERHAFT
Was soll Schönheit denn überhaupt bewirken?
Goethe: Es steht manches Schöne isoliert in der Welt, doch der Geist ist es, der Verknüpfungen zu entdecken und dadurch Kunstwerke hervorzubringen hat.
DAS ALLHEILMITTEL MIT LIEBLICHKEIT
Stimmt es, dass das Schöne den Menschen heilt?
Goethe: Schönheit bändigt allen Zorn.
AUCH MAUERBLÜMCHEN SIND SCHÖN
Das wachsame Auge entdeckt Schönes zuerst. Wieso das?
Goethe: Das Nützliche befördert sich selbst, denn die Menge bringt es hervor, und alle können’s nicht entbehren; das Schöne muß befördert werden, denn wenige stellen’s dar und viele bedürfen’s.
WENN SCHÖNHEIT UNS ÜBERDAUERT
Das Leben ist begrenzt, das Schöne nicht?
Goethe: Schöne Stunden, so wie schöne Talentem, müssen im Fluge genossen werden.
Mein Gesprächspartner ist schon längst weg, doch noch immer stehe ich hier auf dem Roßmarkt. Und Goethes Worte hallen in mir nach. Schönheit hat mich ja schon immer ganz arg begeistert und fasziniert, aber irgendwie tun sich da immer mehr neue Entdeckungen und Erkenntnisse auf. Und das ist amazing! Amazing deshalb, weil sich an so vielen Ecken und Enden Schönes befindet, dass man gar nicht mehr nachkommt, wenn man es darauf ansetzen würde! Nur blöde, dass wir meist mit diesem gewissen Tunnelblick unterwegs sind…
Lasst uns bitte die Augen ein wenig weiter aufmachen und mit wachsamen Geist das Schöne herbeisehnen! Du wirst sehen – plötzlich wird es dort blühen und nur so vor Schönheit protzen, wo vorher noch Asche und Wüste waren. So, und ich fahre jetzt mal mit meinem Spaziergang fort – mal kucken, was Frankfurt so alles schönes bietet! Kaffeepause natürlich inklusive! Auf einen ganz gewaltigen Schönheitsausbruch!
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